Die Flurnamen von Gabsheim
1. Einführung - Quellen - Darstellungsweise
Einführung: Was sind Flurnamen?

Flurnamen sind, weit gefaßt, die Benennungen für alle unbewohnten Örtlichkeiten im Bereich der einzelnen Dorfgemarkungen. Dies sind vor allem Benennungen für landwirtschaftlich bebautes Feld, Wiesen, Weiden, Weinberge, Gärten, Wälder, brachliegende Flächen, aber auch die Namen für Gewässer, Brunnen, Wege, Straßen, Plätze, dann aber auch für Bauwerke wie Brücken, Mühlen, Tore, Backhäuser usw. Diese Namen dienen in der innerörtlichen Kommunikation der Identifikation lokaler Gegebenheiten. Man kann über diese Namen schnell mitteilen, wo man ein Feld hat, wohin man zur Feldarbeit gehen will, oder woher bestimmte Erzeugnisse stammen. Auch in rechtlicher Hinsicht spielen sie eine Rolle, denn wenn man Liegenschaften identifizieren will, so geschieht dies auch heute noch häufig über die Flurnamen, ergänzt durch Flur- und Parzellennummern. Wie alle Namen haben Flurnamen vornehmlich eine identifizierende Funktion, während Wörter nur klassifizieren. In der Regel sind die Namen zwar aus normalen Wörtern entstanden, doch einmal zum Namen geworden, werden sie fest und die ursprüngliche Bedeutung spielt für den Gebrauch keine Rolle mehr. So braucht ein heutiger Namenbenutzer nicht mehr zu wissen, was etwa Benn, Seeb, Stettel usw. eigentlich bedeuten.

Flurplanausschnitt 1835
Ausschnitt aus einem Flurplan von 1835
mit den Flurnamen Bockenzaun, Obertor und
verschiedenen durchnummerierten Parzellen
Wie wurden die Flurnamen vergeben?

Nach der Benennungsmotivik können wir verschiedene Gruppen herausarbeiten (mit einigen Beispielen aus dem Gabsheimer Flurnamenschatz):
1) Nach natürlichen Gegebenheiten (Berge, Täler, Bäume, Sümpfe usw.)
    z. B.: Auf dem Berg, Im Tal, Am Gemsborn, Zu Seeb, Im Gelbfeld
2) Nach menschengemachten Gegebenheiten (Wege, Straßen, Brücken usw.)
    z. B.: Am Spiesheimer Weg, Am Diebspfad, Am Dorfgraben, Hinter der Kirche
3) Nach der Nutzung, dem Bewuchs (Acker, Weinberg, Kulturart usw.)
    z. B.: In der Wingertsgewann, Kappesacker, Effenrech, Im Haselbusch
4) Nach der Lage (Relation zu Nachbargemeinden, Lage zum Ort)
    z. B.: Auf der Biebelnheimer Gemarkung, Am Westerberg, In der Osterwiese
5) Nach Form, Größe
   z. B. In der Dreispitz, In der Langgewann, In den 12 Morgen, Auf der Flinte
6) Nach dem (ehemaligen) Besitzer, Inhaber
    z. B.: Herrenberg, Albanusgärten, Judengasse
7) Nach einem (geschichtlichen) Ereignis
    z. B. Am Franzosenrech, Hadergasse
Natürlich können bei mehrgliedrigen Namen auch gleichzeitig verschiedene Benennungsmotive vorhanden sein.

Hinter der Kirche
Gabsheim: Hinter der Kirche

Quellen:

Da Flurnamen im früheren Abgaben- und Steuerwesen eine große Rolle spielten, sind Flurnamen in Urkunden, Sal- und Morgenbüchern relativ gut überliefert. Für Gabsheim ist die Überlieferungssituation besonders gut, da vor allem im Dalberg-Archiv, das sich heute im Staatsarchiv Darmstadt befindet, eine große Menge von Akten erhalten geblieben sind. 

Zur Deutung und zur Altersbestimmung von Flurnamen ist es unerlässlich, zunächst einmal möglichst viele historische Belege zu den Namen zusammenzutragen. So kann etwa der Flurname Seeb durch seine Erstbelegung 1260 in der Form Sewe und durch Kenntnis der in der Mundart wirkenden Lautgesetze eindeutig von mhd. 'See, stehendes Gewässer' hergeleitet werden. Genau so ist es mit den Namen Stettel, der so aus stet-dale 'allmähliches, sanftes Tal' hergeleitet werden kann.

Gabsheim im Alzeyer Urbar 14. Jh.
Urbar Alzey 14./15. Jh. - Eintrag zu Gabsheim

Die frühesten von mir bisher gefundenen Gabsheiner Flurnamenbelege in originaler Überlieferung stammen aus dem Jahr 1260. Ritter Peter von Gabsheim und seine Frau Herlindis verkaufen Besitz aus der Flur Gabsheim an das Kloster Eberbach (Rossel, Eberb. Urkundenbuch 2,1, Nr 350). Dabei werden die Flurnamen genannt, in denen die Grundstücke liegen, z. B. Langenuzzen (heute Langesen), Puze (heute Pitz), Sewe (heute Seeb), in Winkele (heute zu Winkel) usw. Auch aus dem Jahr 1304 sind zahlreichle Flurnamen überliefert. Hier verkaufen Ritter Eberhard von Ober Ingelheim, genannt von Gabsheim, und seine Söhne Peter und Rudolf das Patronatsrecht an der Kirche zu Bleidesheim sowie Güter im Bereich des Hofes Wahlheim, die sie bisher von der Mainzer Abtei St. Alban zu Lehen hatten, an das Kloster Eberbach. Damit St. Alban hierdurch keinen Schaden oder Verlust erleidet, übertragen sie dem Kloster Eigengüter in der Gemarkung von Gabsheim, nämlich Ackerland, dessen Lage genau spezifiziert wird. Sie sollen diese Güter in Zukunft als Lehen von St. Alban besitzen. Diese Kauf- und Tauschaktion ist offensichtlich in drei Ausfertigungen dokumentiert (publiziert bei: Würdtwein: Dioec. Mog. I, S. 405-407; Baur II 1861/62 Nr. 642 und Rossel, Eberb. Urkundenbuch 2,2 Nr. 610), die sprachlich doch ziemlich voneinander abweichen.

Für diese Darstellung wurden zunächst einmal die leicht verfügbaren (gedruckten) Quellen, besonders die Gabsheimer Chronik von Georg Palzer (1927) ausgewertet. Dies ist nur ein Anfang, alle hier aus Palzer zitierten Belege bedürfen noch einer genaueren quellenkritischen Sichtung, da sie offensichtlich mit stark vereinheitlichender Schreibweise dokumentiert wurden.

Brouillons von 1835
Gabsheim: Katasterbrouillon von 1835, Titel
Darstellungsweise

Die in der Flurnamenliste gebotenen Namenartikel sind nach einem bestimmten Schema abgefasst. Als erstes steht das Stichwort, in halbfetter Schrift. Es enthält den für den Namen wichtigsten oder markantesten Bestandteil. Die meisten Flurnamen werden ja mit Präpositionen gebildet und häufig gibt es verschiedene Flurnamen, die sich nur durch unterschiedliche präpositionale Fügungen unterscheiden, z. B. In der Benn / Auf der Benn; Auf dem Borkrech / Unterm Borkrech. Alle diese Präpositionen werden beim Stichwort weggelassen. Auch bei mehrgliedrigen Namen, z. B. Am Alzeyer Pfad, Am alten Stetteler Weg, In der Wörrstadter Langgewann wird nur ein zentrales Stichwort, hier also Alzey, Stettel, Wörrstadt angenommen. Die Schreibung des Stichworts richtet sich in der Regel nach der Katasterform, wie sie vor der Flurbereinigung Ende der 1960-er Jahre bestanden hat. Nach dem Stichwort folgen, wenn vorhanden, alle mit diesem Stichwort gebildeten Namen (mit Präpositionen usw.), ebenfalls in der Schreibung der Germarkungskarte des Katasteramtes (GK 1965). Dann folgt, mit dem Hinweis mda. (=mundartlich) und in kursiver Schreibweise, die Mundartform, sofern sie noch zu erheben war. Dann schließt sich ein Belegteil an, in dem das Auftreten des Namens in den historischen Quellen dokumentiert wird. Jeder Beleg wird mit der Jahreszahl eingeleitet und endet mit der in Klammern angegebenen Quelle. Sie kann über das Quellen- und Abkürzungsverzeichnis aufgelöst werden. Abschließend wird zur Deutung der jeweiligen Namen Stellung bezogen.

Flurplan 1835 mit Kirche
Gabsheim: Ausschnitt aus dem Ortsplan von 1835

Nächstes Kapitel

© Rudolf Post, Februar 2010